Liebe Freundinnen und Freunde des Taijiquan!
Wie häufig hat Vergangenes und Zukünftiges für uns eine größere Bedeutung als das Jetzt. Immer wieder werden wir allen möglichen und unmöglichen Prüfungen ausgesetzt, die uns Sorgen bereiten. Dann denken wir an Zeiten, in denen alles besser war, leben gedankenschwer im Morgen oder malen uns eine unbeschwerte Zukunft aus. Statt in der Freiheit des Augenblicks zu leben, begeben wir uns hinter ein Gitter voller Bedeutungslosigkeiten. Was vorbei ist, können wir nicht halten, und was wird, ist nicht greifbar. Ganz anders die Kinder. Mit einem offenen Bewusstsein, das weder wertet, noch vergleicht, leben sie in diesem Augenblick, im Jetzt. Wenn aus einer Pfütze ein Meer wird, Steine darin zu Inseln, die es zu erkunden gilt, spielt Zeit keine Rolle. Sie schwingen nicht im Takt der Stunden, sondern folgen dem Rhythmus des Lebens. Spielend und staunend leben sie in diesem Augenblick und sind eingebunden in der Einheit des Lebendigen.
Die weisen Frauen und Männer des Daoismus suchen einen Weg der Rückkehr zu dieser kindlichen Bewusstheit. Den Weg hin zum Alles ist Jetzt. Und hat nicht auch in unserer christlichen Tradition Jesus gemahnt: »Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht das Himmelreich erlangen.« Taijiquan ist für mich ein Weg, das Erleben des Augenblicks zu üben. Jeder und jede Taijiquan-Praktizierende kennt die Erfahrung, sich in den Formen zu »verlaufen«. Sobald meine Gedanken abschweifen, meine Aufmerksamkeit sich auf anderes richtet, sobald ich nicht im Jetzt bin, falle ich aus der Form. Verliere meine Mitte. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange ich schon praktiziere. Alles ist Jetzt. In diesem Augenblick. Ich bin froh, im Taijiquan einen Weg gefunden zu haben, um mein Leben und meine Gesundheit zu pflegen. Und ab und zu bin ich dann der kleine Junge, der auf einer Wasserpfütze neuen Welten entgegensegelt.
Johanna und ich wünschen euch, dass ihr zur eurer zweiten Kindlichkeit zurückfindet, und freuen uns auf unseren gemeinsamen Übungsweg.
Heinz Günter Saemann
Dieter
Hallo Harri,
da bin ich ja froh, dass es auch meinem Meister so geht. Dazu fällt mir folgender Text ein:
Tai Chi ist der einzige Moment, an dem es mir (nicht immer) gelingt, im Jetzt zu bleiben. Danke für Deine Geduld und Mühen, uns in diese Richtung anzuleiten und zu begleiten.