Wüsten
Heinz Günter Saemann
Wellen aus Sand
Flüsse voller Geröll
Stille die spricht
Verborgenes Leben
Schweigende Schönheit
Von irgendwoher
klingt leises Flötenspiel
Der alte Weise
lädt den Mond zum Wein ein
Was die beiden wohl die ganze Nacht besprechen
Nichts
Sie schweigen
Als ich heute Morgen aufwachte
Als ich heute Morgen aufwachte
Heinz Günter Saemann
war der Himmel grün und die Wälder blau
Die Wasser glänzten zinnoberrot
In grellbunten Gassen tanzten Narren
in schwarzen Anzügen
In ihren Händen
trugen sie ihre Fetische
Ihr Singsang
»Endlich ist wieder alles normal«
hallte durch die Straßen
während Kirchglocken von den Türmen stürzten
Und Gott wandte sich mit Schaudern ab
Die Drachenhöhle
Die Drachenhöhle
in den Bergen
ist schon lange verlassen
Die Glocken im Bergtempel
sind verstummt
Im Tal stehen Bauernhäuser
auf ödem LandDer Alte mit Flechten im Bart
trägt Nebel und Feuchtigkeit
in seinem Herzen
Jede Träne
ein Meer ein See ein Fluss
Eine Rose leuchtend rot
pflanzt er in die DunkelheitIm Tal bricht zartes Grün aus der Erde
Erstes Kinderlachen
Weihrauchduft steigt im Tempel emporDer alte Drache ist zurück
und mit ihm
die Hüter der ErdeEin Traum vielleicht
Heinz Günter Saemann
Wirklichkeit vielleicht
Liebe ja
Leuchtend rot
Betrachtungen

Die Hälfte meines Lebens beschäftige ich mich mit der Kunst des Taijiquan. In all den Jahren wird mein Wunsch, diese wunderbare Bewegungskunst in ihrer Tiefe zu verstehen, ihre Ideen zu erforschen und zu durchdringen, immer stärker. Ich begegne immer wieder Lehrern, die mich unterstützen und mich auf meinem Weg begleiten. Im Jahr 2005 begegne ich Meister Yang Zhen He. In ihm finde ich den Meister, den ich so lange suchte. Seit 28 Jahren gebe ich nun schon mein Wissen an meine Schülerinnen und Schüler weiter.
Seit zwei Jahren wünsche ich mir, meinen Unterricht neu zu gestalten, ihn mit neuen Inhalten zu füllen, ohne Altbewährtes aufzugeben. Ich spüre, dass ich eine Saat ausbringe, von der ich nicht weiß, ob sie aufgeht und was daraus erwächst. Sofort denke ich an das Gleichnis vom Sämann: Auf welchen Boden fällt der Samen, habe ich mein Herz darauf vorbereitet, was wächst, was entsteht, kann ich ihn pflegen, ihm genügend Nahrung geben? Wie so oft verlasse ich mich auf meine Intuition, warte auf einen Impuls. Zwei Jahre lang – nichts.
Am 17. März 2020 müssen Johanna und ich aufgrund der Corona-Pandemie unsere Schule schließen. Zwei Wochen später wird uns klar, dass die Einschränkungen länger dauern. Die Schülerinnen und Schüler und das Unterrichten fehlen uns. Hinzu kommt die Angst, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Können wir unserer Berufung weiterhin folgen, öffnen sich neue Wege für uns? Wir drehen einige Videos, um unsere Schüler bei ihrer Übungspraxis zu unterstützen. Obwohl wir mit einfachsten Mittel die Videos erstellen, zeigen die über fünftausend Aufrufe großes Interesse an unserer Arbeit.
Wir beginnen, unseren Schülerinnen und Schülern Einzelunterricht anzubieten. Und sie kommen. Wir erfahren, dass auch ihnen der Unterricht fehlt, dass ihnen unsere Videos weiterhelfen, dass sie ihnen eine Stütze sind. Wie wir warten sie darauf, wieder in der Schule präsent sein zu können. Welch eine Freude! Begegnungen von Herz zu Herz! Dann dürfen wir wieder im Freien unterrichten. Wir sind flexibel und ändern unsere Unterrichtsstruktur. Johanna und ich bereiten unsere Schule für weitere Lockerungen vor, sorgen für die Einhaltung der Vorschriften. Seit dem 2. Juni unterrichten wir wieder in unseren Räumen.
Wie von selbst hat sich unserer Unterricht verändert. Kaum wahrnehmbar regt sich in meinem Herzen etwas, will hervorbrechen, zum Licht streben. Ich spüre eine Tiefe, die ich lange nicht mehr erfahren habe. Trotz der Abstandsregelung sind die Begegnungen mit unseren Schülerinnen und Schülern intensiver geworden. Altbewährtes kann ich aus einem anderen Blickwinkel sehen. Durch die Veränderung meiner Position entsteht Neues, und ich erkenne, dass die Einschränkungen in diesen Zeiten uns nur scheinbar behindert haben. Sie sind der Impuls, auf den ich so lange gewartet habe. Ich werde von außen gezwungen, meinen Standort zu ändern, erkenne den Wechsel, der Wachstum bringt. Es fällt mir nicht leicht, doch ich spüre die Veränderung.
Gerade jetzt in diesem Augenblick bin ich dankbar dafür, der zu sein, der ich bin. Und ich bin dankbar für unsere wunderbaren Schülerinnen und Schüler, die mit uns den Weg des Taijiquan gehen.
Heinz Günter Saemann
Bewegung
Bewegung
Heinz Günter Saemann
Spiralförmig
Unendlich
Wirbelndes Leben
Überall
Leere Straßen
Ich geh durch leere Straßen
Ich hör nur ein leeres Wort
An meinen Füßen sind schon Blasen
Sind die Menschen alle fortIch hör nicht mehr die Lieder
die ich liebte so sehr
Es gibt keine Sieger
dennoch wollen alle mehrPlötzlich ein Kinderlachen
aus tiefsten Herzensgrund
Vater was denkst du für Sachen
Mein Lachen macht dich gesundDein Kopf ist voll dein Herz ist leer
Lass uns die Lieder singen
die du liebst so sehr
damit sie dir Frieden bringenVater Vater
Heinz Günter Saemann
lass uns singen
die Menschen sind nicht fort
mögen unsere Lieder ihnen Freude bringen