Mitschrieb vom Vortrag von Meister Yang Zhen He
am 27. April 2019 in der Taijiquan-Schule Ortenau
Ruhe
Der Größte Schatz im Taijiquan ist die Ruhe. Vom Dao aus betrachtet ist sie die Wurzel der inneren Qualitäten. Man lässt das eigene Wollen und die Begierden los und beruhigt seinen Geist. Wenn die innere Ruhe hergestellt ist, kann das Qi fließen und das Üben wird zu einer selbstvergessenen Sache. Man löst sich vom Materiellen und wendet sich dem Immateriellen zu. Ruhe und Bewegung kann man nicht trennen, genauso wenig wie Ein- und Ausatmen. Sie bedingen einander. Die Ruhe ist also der Anfang allen Übens.
Loslassen und Entspannen
Loslassen bedeutet im Taijiquan sich ausdehnen und lang machen. Nur wenn man den Körper loslässt und entspannt, kann man Bewegungen langziehen. Durch dieses Langwerden kann man die Kraft des Gegners aufnehmen und ihn ins Leere laufen lassen. Seine Kraft wird dadurch neutralisiert und man unterläuft ihn sozusagen. Wir widersetzen uns nicht, sondern folgen dem Impuls des Gegners. Wir üben das Loslassen, indem wir das Runde suchen, uns in Kreisen bewegen und langgezogene Bewegungen üben. Dazu können wir auch die Atmung nutzen. Sich nicht zu widersetzen, sondern loszulassen und zu folgen, ist auch ein Prinzip des Lebens.
Stabilität
Jede Stelle des Körpers wird im Gleichgewicht zentriert. Wie bei einer Waage ist man ständig um Ausgleich bemüht. Das kommt daher, dass der Körper entspannt ist und man immer bereit ist einen Wechsel zu vollziehen. Hinter der Stabilität steht ganz viel Bewegung und Technik, um sich immer wieder auszurichten. Stabilität erfolgt durch eine klare Körperausrichtung. Wenn der Körper ausgerichtet ist, kann das Qi fließen.
Gleichmäßigkeit
Jede Stelle des Körpers bewegt sich, alles wird miteinander verbunden und koordiniert. Alles geschieht in einem Zug ohne Stopp. Man bewegt alle Körperteile in Kreisen und vollzieht stetig einen Wechsel von Yin und Yang, von Voll und Leer. Wenn eines anfängt sich zu bewegen, folgt alles andere nach. Sich gleichmäßig zu bewegen hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Es erfasst den ganzen Körper und dringt bis auf Zellebene vor. Diese Gleichmäßigkeit findet man vor allem im Yang-Stil-Taijiquan.
Wechsel
Wenn etwas von außen auf uns eindringt, bleiben wir erstmal ruhig. Kommt der Gegner mit Kraft, bleiben wir entspannt, dadurch hat der andere erstmal Probleme. Die Wechsel sind quasi die kleinen Punkte im Yin-Yang-Symbol. Will ich nach links, gehe ich erst noch etwas nach rechts. Will ich zurück, gehe ich erst noch mal ein kleines Stück vor, um dann die eigentliche Bewegung zu machen. Es sind kurze Impulse die man setzt. Wechsel sind vor allem im Tui Shou wichtig. Im Außen sieht das ruhig aus. Aber innerlich sind ganz viele Wechsel, die auch für eine fließende Energie sorgen.
Harmonie
Harmonie bedeutet Verbindung. Zum Beispiel, den Atem mit den Bewegungen, voll und leer, oben und unten usw. zu verbinden. Oder die inneren Qualitäten untereinander zu verbinden. Oder die äußeren Prinzipien miteinander. Und dann weiter das Äußere und das Innere wieder in Zusammenspiel bringen. Alles kommuniziert miteinander. Alles ist verknüpft und steht in Beziehung. Das Runde finden, das ist Harmonie.
Nicht trennen
Bewegungen und die Innere Aufmerksamkeit sind miteinander verbunden, die Extremitäten ebenfalls. Überall ist ein Zusammenhang. Zurück zum Ursprung, zur Einheit finden, nichts ist getrennt oder losgelöst. Alles ist eins.
Das sind Grundlagen des Taijiquans. Die Dinge kommen durchs Tun. Wirkliche Inhalte zu vermitteln gelingt nicht ausschließlich mit Sprache. Ihr müsst es erfahren, denn nur so versteht ihr.
Yang Zhen He
Norbert Callies
Großmeister Yang schenkt uns ein Wissen weiter, was so wichtig ist wie das Ausführen von Taiji, aber ohne diese Wissen das Taiji nichts bewirkt. Das lässt sich noch mit einer Aussage von Laotse ergänzen:
Was Du zusammendrücken willst, das musst du erst richtig sich ausdehnen lassen.
Was du schwächen willst, das musst du erst richtig stark werden lassen.
Was du vernichten willst, das musst du erst richtig aufblühen lassen.
Wem du nehmen willst, musst du erst richtig geben.
Das heißt Klarheit über das Unsichtbare.
Das Weiche siegt über das Starke.
Der Sinn ist ewig ohne Machen.
(Aus Daodwjing)