Wege sind vielfältig
Johanna Saemann
wir die sie gehen
manchmal einfältig
Das Leben strebt immer
nach Vollkommenheit
Einheit
Manches lässt uns straucheln
doch nur um uns zu erinnern
immer Herz und Augen
offen zu halten
Archiv für Mai 2019
Meistertage im April 2019
Wie sitzen am Tisch nach einem feinen chinesischen Essen, welches Heinz Günter gekocht hat, und wir reden über Taijiquan. Wir üben dies ja nicht nur zur Gesundheit und Lebenspflege, sondern kultivieren damit auch unseren Geist und unser Menschsein. Ich frage Yang Laoshe, ob er mir mehr dazu erzählen kann. Er fragt: »Jetzt?« Und lacht und fängt dann an:
Erstmal sind die Bewegungen des Taijiquan ja rund. Wir üben das Runde und das bedingt, dass wir zu Harmonie streben und nicht zum Konflikt. Das wirkt sich aufs Menschsein aus. Wir üben eine Kunst, deren Ziel die Harmonie ist. Viele fangen mit dem Taijiquan an, um etwas für ihren Körper und die Gesundheit zu tun. Dann beschäftigen sie sich aber auch mit der Theorie. Dadurch erweitern sich das eigene Wissen und der Horizont und auch das wirkt sich auf den Geist aus. Ein anderer Ansatz des Taijiquan ist, sich zu schützen, nicht anzugreifen. Dieser Aspekt des Schützens, beinhaltet Konflikte zu lösen, sich mit dem Gegenüber zu verbinden, ihn zu lassen wie er ist und die Situation durch einen eigenen inneren Wechsel zu ändern. Das kann man im Tui Shou üben. Dieses Prinzip im Taijiquan kann man auch auf den Beruf, Freunde oder den Alltag übertragen.
Taijiquan ist etwas ganz Natürliches. Wir üben die Natürlichkeit und Einfachheit und beschäftigen uns durch den Daoismus, der mit dem Taijiquan verknüpft ist, mit der Natur der Dinge. Dadurch wiederum entwickelt man ein natürliches Bewusstsein für den Alltag und die Welt. Es geht darum, in der Kampfkunst und auch im Leben nichts hinzuzufügen, sondern in Einfachheit den Weg zu gehen. Eigene Begierden sollten nicht im Vordergrund stehen. Das Wesentliche ist, in einem Bewusstseinszustand des Gleichgewichts zu sein. Auch das üben wir im Taijiquan. Das Gleichgewicht, die Richtung, die Klarheit.
Die höchste Stufe im Taijiquan ist dann, alle Methoden, die man gelernt hat, wieder loszulassen und sich frei, aus sich selbst heraus zu bewegen. Und so auch dem Leben zu begegnen: in Gleichgewicht und Natürlichkeit.
Das alles vermittelt er ganz praktisch in den Kursen, die er bei uns gibt. Er führt uns dahin: zur Klarheit und Natürlichkeit. Das Wesentliche fordert er immer ein. Der Blick, die Richtung, Verbindung, Yin und Yang. Darauf besteht er. Darüber hinaus geht er dieses Jahr auch intensiv auf die innere Ausrichtung ein. Die Energie und deren Führung, welche unsere Bewegungen durchdringen sollen, sind mit unserer Körperhaltung verknüpft. Inneres und Äußeres sind miteinander verbunden und bedingen einander.
Mit der hervorragenden Übersetzung durch Thomas Strube, sind die Kurse auch in der Theorie sehr interessant, denn Yang Laoshe gibt viel Wissen weiter. So auch in seinem Vortrag über die 7 innere Qualtitäten des Taijiquan. Ruhe – Entspannung – Stabilität – Gleichmäßigkeit – Wechsel – Harmonie – Nicht trennen. Auch hier kann sich dem Zuhörer über die Grundlagen des Taijiquan hinaus ein Bezug zum Leben erschließen.
Auch Yang Li Juan, die zweite Tochter von Meister Yang, gibt einen Kurs für Anfänger in der 38er-Form. Mit Ruhe und eleganter Kraft bringt sie die Teilnehmer durch die Hälfte der Form. Diese sind gefordert, mit ausdauernder Freude dabei und nach diesem Seminar einen großen Schritt weiter.
Wir freuen uns über das Interesse von euch Teilnehmern, dass ihr alle gekommen seid, auch teilweise von weit her, und gemeinsam die Meister-Seminare genutzt habt, um einen Schritt weiter zu gehen. Ein großes Dankeschön an Thomas Strube für dein unermüdliches Übersetzen und die gemeinsame Zeit. Schön war es!
Ein Dank geht auch an Marco Durach, der ebenfalls an zwei Tagen übersetzt hat und so zum Gelingen der Kurse beigetragen hat.
Am Schluss sagt Yang Laoshe, dass er sehr gerne zu uns nach Gengenbach in die Taijiquan-Schule Ortenau kommt. »Es ist immer alles sehr harmonisch bei euch, und wie ihr das organisiert und das jedes Jahr.«
Nächstes Jahr wieder, in der Woche nach Ostern. Ihr könnt es euch schon mal vormerken. Danke, Yang Laoshe, von ganzem Herzen, wir freuen uns auf ein Wiedersehen!
Johanna Saemann
Die 7 inneren Qualitäten des Taijiquan
Mitschrieb vom Vortrag von Meister Yang Zhen He
am 27. April 2019 in der Taijiquan-Schule Ortenau
Ruhe
Der Größte Schatz im Taijiquan ist die Ruhe. Vom Dao aus betrachtet ist sie die Wurzel der inneren Qualitäten. Man lässt das eigene Wollen und die Begierden los und beruhigt seinen Geist. Wenn die innere Ruhe hergestellt ist, kann das Qi fließen und das Üben wird zu einer selbstvergessenen Sache. Man löst sich vom Materiellen und wendet sich dem Immateriellen zu. Ruhe und Bewegung kann man nicht trennen, genauso wenig wie Ein- und Ausatmen. Sie bedingen einander. Die Ruhe ist also der Anfang allen Übens.
Loslassen und Entspannen
Loslassen bedeutet im Taijiquan sich ausdehnen und lang machen. Nur wenn man den Körper loslässt und entspannt, kann man Bewegungen langziehen. Durch dieses Langwerden kann man die Kraft des Gegners aufnehmen und ihn ins Leere laufen lassen. Seine Kraft wird dadurch neutralisiert und man unterläuft ihn sozusagen. Wir widersetzen uns nicht, sondern folgen dem Impuls des Gegners. Wir üben das Loslassen, indem wir das Runde suchen, uns in Kreisen bewegen und langgezogene Bewegungen üben. Dazu können wir auch die Atmung nutzen. Sich nicht zu widersetzen, sondern loszulassen und zu folgen, ist auch ein Prinzip des Lebens.
Stabilität
Jede Stelle des Körpers wird im Gleichgewicht zentriert. Wie bei einer Waage ist man ständig um Ausgleich bemüht. Das kommt daher, dass der Körper entspannt ist und man immer bereit ist einen Wechsel zu vollziehen. Hinter der Stabilität steht ganz viel Bewegung und Technik, um sich immer wieder auszurichten. Stabilität erfolgt durch eine klare Körperausrichtung. Wenn der Körper ausgerichtet ist, kann das Qi fließen.
Gleichmäßigkeit
Jede Stelle des Körpers bewegt sich, alles wird miteinander verbunden und koordiniert. Alles geschieht in einem Zug ohne Stopp. Man bewegt alle Körperteile in Kreisen und vollzieht stetig einen Wechsel von Yin und Yang, von Voll und Leer. Wenn eines anfängt sich zu bewegen, folgt alles andere nach. Sich gleichmäßig zu bewegen hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Es erfasst den ganzen Körper und dringt bis auf Zellebene vor. Diese Gleichmäßigkeit findet man vor allem im Yang-Stil-Taijiquan.
Wechsel
Wenn etwas von außen auf uns eindringt, bleiben wir erstmal ruhig. Kommt der Gegner mit Kraft, bleiben wir entspannt, dadurch hat der andere erstmal Probleme. Die Wechsel sind quasi die kleinen Punkte im Yin-Yang-Symbol. Will ich nach links, gehe ich erst noch etwas nach rechts. Will ich zurück, gehe ich erst noch mal ein kleines Stück vor, um dann die eigentliche Bewegung zu machen. Es sind kurze Impulse die man setzt. Wechsel sind vor allem im Tui Shou wichtig. Im Außen sieht das ruhig aus. Aber innerlich sind ganz viele Wechsel, die auch für eine fließende Energie sorgen.
Harmonie
Harmonie bedeutet Verbindung. Zum Beispiel, den Atem mit den Bewegungen, voll und leer, oben und unten usw. zu verbinden. Oder die inneren Qualitäten untereinander zu verbinden. Oder die äußeren Prinzipien miteinander. Und dann weiter das Äußere und das Innere wieder in Zusammenspiel bringen. Alles kommuniziert miteinander. Alles ist verknüpft und steht in Beziehung. Das Runde finden, das ist Harmonie.
Nicht trennen
Bewegungen und die Innere Aufmerksamkeit sind miteinander verbunden, die Extremitäten ebenfalls. Überall ist ein Zusammenhang. Zurück zum Ursprung, zur Einheit finden, nichts ist getrennt oder losgelöst. Alles ist eins.
Das sind Grundlagen des Taijiquans. Die Dinge kommen durchs Tun. Wirkliche Inhalte zu vermitteln gelingt nicht ausschließlich mit Sprache. Ihr müsst es erfahren, denn nur so versteht ihr.
Yang Zhen He