Wüsten
Heinz Günter Saemann
Wellen aus Sand
Flüsse voller Geröll
Stille die spricht
Verborgenes Leben
Schweigende Schönheit
Von irgendwoher
klingt leises Flötenspiel
Der alte Weise
lädt den Mond zum Wein ein
Was die beiden wohl die ganze Nacht besprechen
Nichts
Sie schweigen
Archiv für Juli 2020
Normalität? Natürlichkeit!

Liebe Freundinnen und Freunde des Taijiquan!
In letzter Zeit höre ich oft Sätze wie »Hoffentlich wird alles wieder normal.«, »Ich wünsche mir die Normalität zurück.« oder »Wann können wir wieder ein normales Leben führen?« Auch mir kommt gelegentlich einer dieser Sätze über die Lippen, aber ich erschrecke dann und frage mich, was ist denn normal und wer entscheidet, ob etwas normal ist? Normalität scheint selbstverständlich zu sein, muss nicht erklärt werden, ist akzeptabel, sie ist erwünscht und gibt Sicherheit. Jede Zeit, Gesellschaft, Kultur und Glaubensrichtung hat ihre eigene Normalität, entwickelt aus den Erfahrungen im menschlichen Zusammenleben oder bestimmt durch Gesetzte und Dogmen. Doch ist sie nicht beständig, darf es nicht sein, denn das sogenannte Beständige nimmt uns unsere Lebendigkeit und lässt unsere Seele in einem goldenen Käfig verhungern.
Normalität ist vor allem Natürlichkeit, in der sich unser Wesen entfalten kann und die dem Andersdenken und Anderssein Raum gibt, um darin die Fülle und Vielfalt des Lebens zu erkennen. Und das fordert Verantwortung für sich selbst und andere. Normalität, die das Wesen und das Leben verstümmelt und verdinglicht, und die aus Gewinnstreben alles auf dem Altar des sogenannten Fortschritts opfert, ist nicht akzeptabel, ist abnorm. Wir lassen Leid und innere Verarmung zur Normalität werden. Wir verunstalten unser Wesen, wenn Unworte wie Fleischproduktion, Humankapital, Systemrelevanz wie selbstverständlich über unsere Lippen kommen. Die zunehmende Kultivierung der Gefühllosigkeit und der immer stärker in Erscheinung tretende Eigennutz verstümmeln unseren Geist und lassen unsere Kultur verkümmern.
Für mich ist Normalität die Liebe zur Schöpfung, erfüllt mit Dankbarkeit für die geschenkte Fülle und Vielseitigkeit. Beim Praktizieren des Taijiquan erfahre ich diese Natürlichkeit, in der sich alles gegenseitig bedingt und ineinanderfließt. Ich kann mich dem Wirken des Daos hingeben und komme meinem Wunsch nach innerem Frieden ein Stück näher.
Mögen Liebe und Frieden eure Herzen erfüllen!
Heinz Günter Saemann
Als ich heute Morgen aufwachte
Als ich heute Morgen aufwachte
Heinz Günter Saemann
war der Himmel grün und die Wälder blau
Die Wasser glänzten zinnoberrot
In grellbunten Gassen tanzten Narren
in schwarzen Anzügen
In ihren Händen
trugen sie ihre Fetische
Ihr Singsang
»Endlich ist wieder alles normal«
hallte durch die Straßen
während Kirchglocken von den Türmen stürzten
Und Gott wandte sich mit Schaudern ab
Wir wurzeln im Zeitlosen
Wir wurzeln im Zeitlosen
Johanna Saemann
Der Fluss des Lebens ist
ohne Anfang und Ende
das Unbegreifliche der Ewigkeit
Tritt ein
Tritt ein
Johanna Saemann
in diesen Sommer
in seine Leichtigkeit
sein Himmelblau
Und lass uns lieben
und geben
und alles nehmen
als sei das Leben selbst
neu erfunden
Die Drachenhöhle
Die Drachenhöhle
in den Bergen
ist schon lange verlassen
Die Glocken im Bergtempel
sind verstummt
Im Tal stehen Bauernhäuser
auf ödem LandDer Alte mit Flechten im Bart
trägt Nebel und Feuchtigkeit
in seinem Herzen
Jede Träne
ein Meer ein See ein Fluss
Eine Rose leuchtend rot
pflanzt er in die DunkelheitIm Tal bricht zartes Grün aus der Erde
Erstes Kinderlachen
Weihrauchduft steigt im Tempel emporDer alte Drache ist zurück
und mit ihm
die Hüter der ErdeEin Traum vielleicht
Heinz Günter Saemann
Wirklichkeit vielleicht
Liebe ja
Leuchtend rot